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Pan: Der Zwang des Bösen

In einem Alter, in dem andere Hundekinder noch die Wildnis im heimischen Garten entdecken, in jedem vorbeiwehendem Blatt ein Abenteuer wittern und Abends zufrieden und behütet in ihrem Bettchen schlummern hatte man für Pan bereits andere Pläne.

Pan wurde zur persönlichen Profilierung seines "Hundeführers" als Gebrauchshund in die Traditionen des Schutzhundesports gezwängt.



Dieser "Sport" gilt in Kennerkreisen nahezu als Kulturgut. Wie überall, dürfen natürlich auch hier nicht alle "Liebhaber" über einen Kamm geschoren werden. Auch in diesem "Sport" gibt es durchaus moderne, artgerecht angelehnte und in diesem Beitrag eindeutig nicht angesprochene "Hundeführer" und Vereine.

Das große Glück, auf diese zu treffen zog an Pan jedoch vorbei, wie die Abenteuerblätter an den bereits erwähnten glücklichen Welpen. Pans Abenteuer wurde zu einem realen Alptraum, in dem extreme Zwänge, Einsamkeit, Isolation, wüstes Geschrei und bedingungslose Unterwerfung um jeden Preis keinen Platz für unbeschwertes Aufwachsen ließen.

Im Schutzhundesport geht neben einem gesteigerten Triebverhalten, extremer Belastbarkeit und einer gehörigen Portion erzwungener Aggression nichts

So, oder so ähnlich würden es die "traditionsgestörten" Vertreter dieses "Sports" wahrscheinlich sofort unterschreiben.

Pan wurde als Hundekind durch die Isolation in einer kleinen Kammer, Hunger und Angst gebrochen. Er wurde von Menschen, deren eigentliche Aufgabe darin bestanden hätte, ihn zu schützen, ihm Sicherheit zu geben und ihm eine soziale Zugehörigkeit zu vermitteln zum Gebrauchsgegenstand einer Freizeitbeschäftigung degradiert.


Unter diesen Bedingungen erlebt Pan wichtige und prägende Phasen im Leben eines jungen Hundes. Bis er eines Tages den Hauch einer Chance nutze, und entgegen aller Wahrscheinlichkeiten aus seinem Gefängnis floh

Er rennt, so schnell und so weit ihn seine Pfötchen trugen. Er hatte kein Ziel - niemanden an dem er sich orientieren konnte, aber er hatte Hunger.

Hunger, der so sehr an ihm nagte, dass er sich, draußen angekommen als erstes über die Müllsäcke seiner "Familie" hermachte.

Aufgeschreckt durch den Krach, den ein ausgehungerter Hund beim Versuch Müllsäcke zu öffnen nun mal macht, eilt seine "Hundeführerin" herbei, und versucht ihm seinen Fund zu entreißen. Da war er, der Moment in dem der kleine, gebrochene Pan beschloss, dass es heute anders läuft. Nicht einmal wird er sich noch brechen lassen, nicht einmal anschreien lassen. Also greift er zum Äußersten - und beißt zu.


Wäre man dem Wunsch der "Hundeführerin" nachgekommen, dann hätten Pan diese Sekunden sein Leben gekostet. Als gemeingefährlicher, grundlos beißender Hund sollte er euthanasiert werden.


In genau dieser schicksalhaften Zeit hatte Pan aber auch zum ersten Mal in seinem bis dato so leeren Leben Glück.

Eine Tierschutzorganisation, die sich mit der Aufnahme, der Arbeit und der Vermittlung von auffälligen Hunden beschäftigte, war auf ihn aufmerksam geworden.

Dieses Glück rettete Pan vor der tödlichen Spitze, und das Leben gab ihm eine zweite Chance.


Seine heutige Halterin entdeckte Pan 2016 auf ihrer eigenen Suche nach einem Hund.

Hierzu hatte sie sich selbst ein paar Regeln aufgestellt:


- kein Welpe

- kein Hund vom Züchter

- ein Hund, der genau wie sie schon vieles durchmachen musste


"Ich wollte einen Hund, der auf mich aufpassen kann, wenn es mir nicht gut geht. Und ich wollte dem Hund ein Gefährte sein, der auf ihn aufpasst, wenn es ihm mal nicht gut geht."

Bei ihrem Besuch der Organisation wurden ihr die "Insassen" vorgestellt.

Da war Beast - ein Hund so groß wie ein Bär. Ein Hund, der seinem Besitzer die Hand abgebissen hatte.

Da war Puck - eine kleine Bulldogge, die ihrem Besitzer das Gesicht zerfleischt hatte.

Während des Rundgangs erfuhr sie die dunkelsten Geschichten zu all den gescheiterten Hundeleben. All das, was der Mensch durch Versagen, bösartigen Missbrauch und Gewalt aus einem Hund machen kann begegnete ihr an diesem Tag.


Und dann war da Pan. Wie in einem Hollywood Film brach das Sonnenlicht durch die Wolken, und brachte sein Fell zum glitzern. "Wir sahen uns an. Ich sah Pan, und Pan sah mich."

Pans dunkle Geschichte war im Vergleich zu seinen Mitinsassen fast harmlos. Ein wenig erleichtert darüber, beschloss Pans heutige Weggefährtin Pan - der damals noch Schöffer hieß - kennenzulernen.

Man öffnete seinen Zwinger, und Pan kam schwanzwedelnd und freundlich auf sie zu. Nach einer kurzen Begrüßung verlor sich Pan im Spiel mit anderen Hunden, und seine neue Weggfährtin teilte ihren Entschluss der Organisation mit - Pan sollte ihr Hund, ihr Weggefährte werden.


Nach einigen gemeinsamen Gassi Proberunden durfte Pan endlich in sein allererstes richtiges Zuhause einziehen.

Dort angekommen gestalteten sich die ersten Tage teils schwierig, denn Pan kannte nur das Leben auf engem Raum. In Boxen oder kleinen Kammern. Mit der Weite eines Raums war er schlichtweg überfordert. Möbel und andere Einrichtungsgegenstände machten ihm Angst. Jedes, noch so alltägliche, Geräusch erschreckte ihn zutiefst.

An der Seite seiner Weggefährtin lernte Pan jedoch schnell, dass er an ihrer Seite vor nichts Angst haben musste. Weder Wasser, noch Autofahren, noch der laute und unberechenbare Staubsauger konnten ihm etwas anhaben.

Die Nähe und die Geduld seiner neuen Halterin stieß bei Pan mehr und mehr auf endlose Gegenliebe. Er vertraute ihr, er akzeptierte sie nah an seiner Seite

Nur mit der Akzeptanz weiterer sozialkontakte seiner neuen Halterin, damit tat Pan sich sichtbar schwer. Aus Angst, den beiden könnte etwas zustoßen, und der Traum würde sich zum Alptraum wandeln ließ er niemanden in ihre Nähe. Zähnefletschend war er bereit, diese Liebe und Sicherheit in seinem sonst so trostlosen Leben mit allen Mitteln zu verteidigen.


Seine Weggefährtin erkannte die Ursachen seiner Aggression schnell, und nahm Pan in liebevoller Konsequenz und mit ausdauerndem Training all diese Ängste von seiner vernarbten Seele.

Ähnlich wie jeder von uns, ist auch Pan heute nicht perfekt. Auf Spaziergängen bringen ihn andere Hunde hier und da noch mal aus der Fassung. Pans Skepsis gegenüber anderen Menschen wich dem Vertrauen in die Führung seiner Halterin, so dass er von Jahr zu Jahr auch für andere Menschen immer zugänglicher wurde.


Gebissen hat Pan nie wieder. Pan wurde nach dem griechischem Hirtenhund benannt, und wie es sich für einen solchen gehört, zieht Pan heute als ausgeglichener, aufmerksamer und verlässlicher Weggefährte seiner Halterin durchs Leben.



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